Architektonisches

ÜBERBAUUNG FRIEDHOFWEG

Die 3-geschossige Wohnsiedlung fügt sich auf schöne Art in die Umgebung ein und gruppiert sich längs des Friedhofweges um vier Höfe. Sie sind die Räume für das soziale Leben, welche der Siedlung den urbanen Charakter geben, sie sind Aussenbereiche und Aufenthaltsorte von ganz unterschiedlichem Charakter. Der Architekt verstand es, trotz grosszügigen Hofanlagen eine maximale Ausnutzung zu erreichen. Die Höfe werden von kammartig angeordneten Gebäudeflügeln mit Geschosswohnungen umgrenzt, während im Kammriegel mehrgeschossige Maisonetten integriert sind. Sie bilden das Rückgrat der Anlage, zusammen mit einem gedeckten Fussweg, der eine Verbindung schafft zwischen Haselrain und Lörracherstrasse.

GrundrissIn den sechs Seitenflügeln sind grosszügige 4-Zimmer-Wohnungen untergebracht. Ein langer Gang ersetzt wie eine innere Laube den üblichen Garderobenvorplatz und kann als weiteres Zimmer verstanden werden. Dieser breite Gang erschliesst das Bad und die zellenartig angeordneten Zimmer. Dahinter betritt man die geräumige Wohnküche, von wo man auf die zum Hof geöffnete grosse Terrasse gelangt. Die Höfe sind vor der Verkehrskulisse geschützt, während zur Strassenseite hin die Wand der Terrasse nur von kleinen Fenstern durchbrochen wird.

Den Höfen gegen Süden abgewandt liegen die dreistöckigen Maisonettewohnungen mit eigenem kleinen Gartenanteil auf der Rückseite. Deren Grundriss ähnelt jenem von Alders Wohnhaus in Salzburg. Ein sehr platzsparendes und funktionelles Element ist ein Schrank, um den sich eine Eichentreppe windet. Auf den beiden oberen Etagen liegen jeweils, symmetrisch angeordnet, zwei identische Zimmer und ein halbes Zimmer, das ebenfalls als variabler Rückzugsort verstanden werden soll.

Weniger ist hier nicht nur mehr, sondern auch anregender. So sind die wenigen verwendeten Materialien in einem Spiel aus Licht und Schatten eingesetzt. Eingangs- und Wohnhöfe, verglaste Balkone und Lauben sind von zentraler Bedeutung, sind Orte für Sozialkontake. Dadurch besitzen die Höfe nicht nur formal, sondern auch funktional urbanen Charakter. Zusammen mit dem Gartenarchitekten Dieter Kienast gestaltete Alder jeden der vier Wohnhöfe der Siedlung mit den gleichen Elementen: mit Bäumen, Rasenflächen und grossen Sandkästen. Vor allem die Kinder sind begeistert von dieser Anlage, denn dank phantasievoller Variation hat jeder Hof ein eigenes Gesicht.

Die Fassaden sind puritanisch einfach. Architektur hat sich viel zu lange an Fassaden aufgehalten, meinte der Architekt Michael Alder, und dabei ihre wahre Aufgabe, Räume zu schaffen, die ein vielfältiges soziales Leben ermöglichen, vernachlässigt. Wohnungsbau sei nichts für Künstler, sondern Sache der Baumeister, die für die Bedürfnisse der Bewohner bauen. So liegt die Qualität dieser Siedlung auch nicht in ihrem Äusseren, sondern in ihrer ungemein vielgestaltigen Raumabfolge. Sechs Geschosswohnungsbauten stehen quer zur Strasse. Grosse Balkonkörper stehen im rechten Winkel dazu, folgen also der Strassenlinie. Sie sind sind sehr eindrucksvoll in ihrer Ausformung: eigenständige, sehr grosszügig dimensionierte Räume, zur Strasse nur mit schmalen über Kopf hohen Fensterbändern geöffnet, zu den Höfen und zur Südseite in ihrer gesamten Breite. Die Balkone sind mit Vorhängen verschliessbar und wirken dadurch fast wie private, sehr lebendige Bühnen. Die Balkontrakte heben sich auch im Material von den übrigen Wohngebäuden ab: sie sind in Sichtbeton belassen, während die Gebäude in naturfarbigem, schallschluckendem Jurakalk und Rheinsand verputzt sind. Im Gegensatz zur unterschiedlichen Ausgestaltung der Höfe soll der einheitliche Farbton die Räume und Baukörper zusammenhalten und die Einheit der Genossenschaftssiedlung betonen.

Nach Süden hin schliesst eine Reihe von dreigeschossigen Reiheneinfamilienhäusern die Siedlung ab. Die Zimmer des obersten Stocks sind durch einen Laubengang erschlossen. Damit ergibt sich im Erdgeschoss ein schmaler, gedeckter Gang, der das eigentliche Rückgrat der Siedlung darstellt und dort, wo er zwischen Reihenhauszeile und Geschosswohnungsbauten hindurchführt, dunkel ist, sich aber öffnet im Bereich der grossen Höfe zwischen den Querbauten.

Dieses Wechselspiel von Offenheit und Geschlossenheit setzt sich im Inneren der Wohnungen fort: Auch hier helle, weite Laubengänge, die mit dem offenen Wohnzimmer und dem Balkon dem gemeinschaftlichen Wohnen dienen. Kleiner und dunkler die Zimmer - Rückzugsort des Einzelnen. Daneben ein grosszügiges Angebot an Nebenräumen - auch das ein Thema, das nach Alder in der Architektur der letzten Jahrzehnte allzu oft zu kurz gekommen sei.

Das differenzierte, familienfreundliche Wohnungsangebot ist generell von hoher Qualität und steht in guter Beziehung zu den Aussenräumen. Sämtliche Hauptwohnräume sind gegen Süden, Osten oder Westen orientiert und gut besonnt.

Überall in dieser Siedlung gibt es Orte, die zu den vielfältigsten Nutzungen einladen. Vorgegeben wurde vom Architekten nur die Raumstruktur und seine Botschaft, dass dichtes Wohnen mit etwas Phantasie und gutem Willen spannungsvoll und erlebnisreich sein kann.

 

STÖCKLIWOHNUNGEN KETTENACKERWEG

Bereits beim Wettbewerb 1990 waren im südlichen Bereich der Genossenschaftssiedlung „Stöckliwohnungen“ geplant, damit die Eltern nach dem Auszug ihrer Kinder weiter in der Siedlung wohnen können. Die Parzelle wurde auf Grund des Schenkungsvertrages erst 25 Jahre später baureif. Entstanden ist nun ein 2-geschossiges Wohnhaus mit insgesamt acht 2 resp. 3 Zimmer-Wohnungen. Die kompakten aber räumlich grosszügigen Stöckliwohnungen sind konsequent auf die Bedürfnisse älterer Bewohner ausgelegt. Die Laubengangerschliessung ist gemeinsamer Aussenbereich, Sitzplätze und Balkone sind die privaten Aussenräume. Das Gebäude ist als Massivbau mit Holzverkleidung und einem grossen ausladenden Dach in Holz ausgeführt.  

Im Folgenden finden Sie einen Ausschnitt aus dem Film "Frei-Räume. Modelle für einen qualitätvollen Wohnbau" von Philipp Krebs und Reinhard Seiss (36 min, Wien 2000):

Alder

Quelle:

Zophoniasson-Baierl, Ulrike (Hg.): Michael Alder. Das Haus als Typ, Basel et al. 2006